Category: News - 2021.01.01

Etel Adnan . ZEIT

Aus dem Englischen übersetzt und mit einem Vorwort von Klaudia Ruschkowski

Etel Adnan TIME

Am 27. Oktober 2003 erhielt Etel Adnan eine Postkarte von einem Freund, dem tunesischen Dichter Khaled Najar, den sie in den 1970er Jahren kennengelernt hatte. Sie antwortete umgehend mit der ersten der sechs in diesem Band versammelten Gedichtsequenzen, die sie mit dem 2016 entstandenen »Baalbek« schließt.
Etel Adnan lässt die Zeit kollabieren, um sie auszudehnen. Sie überquert Kontinente, begegnet Schönheit, Schmerz, Kriegen und gebrochenen Herzen, setzt ein spekulatives Spiel zwischen den Dingen in Gang, konfrontiert sich und uns mit Sterblichkeit.

Gemeinsam mit Sarah Riggs übersetzte Etel Adnan die ursprünglich auf Französisch geschriebenen Texte ins Englische und überarbeitete sie dabei. 2020 wurden beide für diesen Band mit dem renommierten Griffin Poetry Prize ausgezeichnet.

Mit ZEIT erweist sich Etel Adnan einmal mehr als eine der wichtigsten literarischen und künstlerischen Stimmen der Welt.

I

Es gibt keine Frösche
in diesem weiten Himmel
keine Botschaften
es gibt keinen Himmel
in diesem Gehirn
keine Wörter
kein Gehirn
in diesem Körper
keine Verbindung

die Dürre
ist im Geist
und auf dem Boden

Sie töteten einen Mann mit
einem Baseballschläger
„Oh!“, sagte die Polizei
„was für ein schlechtes Spiel!“

Niemand kennt die ganze Schönheit
Kaliforniens
so wie ich

sie ist eine Göttin, ihrer
Minen entkleidet

doch sie erinnert
alles, was wir vergessen haben

Sie töten die Wale
um Katzenfutter zu machen
und weinen über China
denn es gibt keine
Indianer mehr
hier

ich bin das halbe Universum
werde ich je ein ganzes Wesen sein?
Stille
und leerer Garten
flüchtiger als eine Wolke
ich bin ein Fleck

[aus: Kein Himmel . ZEIT]

***

ZEIT
Deutsche Erstausgabe
Gebunden mit Schutzumschlag
ca. 160 Seiten
ca. € 22,00
ISBN 978-3-96054-244-5
März 2021
https://edition-nautilus.de/autorinnen/adnan-etel/